Rede zum Doppelhaushalt 2021/22
Ludwigshafen kennt sich gut aus mit Krisen: Haushaltskrise und Schuldenkrise bestimmen den Rahmen für politische Initiativen schon seit Jahren. Und jetzt kommt obendrauf noch die Corona-Pandemie. Ein schier aussichtsloses Unterfangen für eine Stadt, die sich durch wachsende Sozialausgaben einerseits und durch eine eingeschränkte Einnahmestruktur andererseits sowieso schon immer am Abgrund des noch Finanzierbaren sieht. Die Stimmung in der Stadt ist bis jetzt nicht gekippt und wir alle leben gern hier, das liegt am kulturellen Angebot, an den Sportvereinen und den Möglichkeiten des sozialen Miteinanders. Für uns Grüne im Rat geht es nicht um das politische Spiel, sondern um politische Verantwortung.
Daher haben wir dem Entwurf der Verwaltung zum Kulturetat nicht zugestimmt. Und haben uns dafür stark gemacht, dass wir weitere Kürzungen im Kulturbereich sowohl für die freie als auch die institutionalisierte Kultur nicht akzeptieren werden und nicht akzeptieren können. Mit unserem Antrag im Hauptausschuss wollten wir nicht nur ein Zeichen setzen, sondern handeln. Bereits vor zwei Jahren sollten die Zuschüsse im Bereich der freiwilligen Leistungen erhöht werden – die dringende Notwendigkeit dafür besteht immer noch. Wir sind froh darüber, dass der Hauptausschuss unserer Initiative einstimmig zugestimmt hat.
Wir haben mit aller Ernsthaftigkeit die Haushaltsberatungen kritisch begleitet, und sehen, dass strukturelle und verwaltungsorganisatorische Veränderungen Hand in Hand gehen müssen: Wir setzen große Hoffnung in die neue Organisationseinheit Bauen für Bildung, die Gebäudemanage-ment und Bildungskoordination die Aufgabe gibt, Rückstände im immensen Sanierungsstau der Ludwigshafener Schulen zu bewältigen. Die Umsetzung des Digitalpaktes läuft noch zu zögerlich, wir müssen schneller werden, damit wir nicht noch zusätzlich eine Digitalkrise erleben, die sich zu einer Bildungskrise auswächst. Es sind zu wenige Menschen für zu viele Aufgaben da – ob da bisher innerhalb der Verwaltung immer die richtigen Schwerpunkte gesetzt wurden? Wir haben da unsere Zweifel.
2019 sind auch in Ludwigshafen Schülerinnen und Schüler auf die Straße gegangen, für mehr Klimaschutz, für das 1,5-Grad-Ziel, dafür, dass der Klimawandel keine „Kipppunkte“ erreicht und die Lebensbedingungen auf unserer Erde und damit auch in unserer Stadt unwiderruflich verschlechtert. Fridays for Future ist ein deutlicher Hinweis, dass wir uns im Klimaschutz nicht weiter mit Lippenbekenntnissen zufriedengeben dürfen. Wir setzen darauf, dass die Zusagen der Verwaltung eingehalten werden. Dass die neue Stabsstelle im Bau- und Umweltdezernat Klimaschutz als Leitlinie im Verwaltungshandeln durchsetzt, dass wir so bald wie möglich ein neues Klimaschutzkonzept für die Stadt bekommen, dass die Strukturen geschaffen werden, um unseren Stadtbaumbestand langfristig zu erhalten und auszubauen. Und dass der Stadtrat angemessen beteiligt wird, mit einem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität, der eigene Beschlusskompetenzen erhält.
Die Stadt Ludwigshafen leidet unter den Bausünden, den baulichen Fehleinschätzungen der Vergangenheit. Unsere Innenstadt ist hochverdichtet, ihr fehlt es jetzt schon an Licht, Luft und Grün. Wenn wir ein Stadtzentrum der kurzen Wege anstreben, attraktiv für Wohnen, Arbeit, Freizeit, Bildung, Kultur und Einkauf, dann werden wir es nicht dadurch erreichen, dass wir Lücken und Brachen mit Hochhäusern bebauen. Nicht von ungefähr stehen die Menschen am Berliner Platz oder im Bereich der Pilzhochstraße und denken: Könnte eigentlich so bleiben! Bei jedem neuen Bauprojekt müssen wir ein menschliches Maß berücksichtigen. Deswegen sagen wir: Ein neues Rathaus wird ganz anders aussehen müssen als das jetzige. Es muss bürgernäher, flexibler in der Nutzung, ein attraktiver Arbeitsplatz, aber auch effizienter und nachhaltiger sein müssen. Unsere Innenstadt braucht deutlich mehr Aufmerksamkeit als bisher. Wer hier wohnt oder arbeitet, hat schwere Jahre vor sich, darum müssen wir uns kümmern. Wir brauchen die hauptamtlichen Kümmerer für die Stadtteile Mitte und Hemshof, ob sie nun Quartiersmanager*innen heißen oder anders. Darauf werden wir weiterhin dringen.
Die geplanten Investitionen in die Mobilitätsinfrastruktur zeigen, dass die Fehlentscheidungen der Vergangenheit eine Sachzwangslogik für die Gegenwart erzeugen, mit der sich die Verkehrswende nur schwer in Angriff nehmen lässt. Die Hochstraße Süd soll 1:1 wiederaufgebaut werden, damit die Pendlerströme nicht zum Erliegen kommen. Eine zukunftsfähige Entwicklung der Verkehrsplanung ist damit zumindest an dieser Stelle ausgeschlossen. Insgesamt werden in diesem Doppelhaushalt mehr als 75 Millionen Euro für Hochstraßen bereitgestellt, die dann bei der Verbesserung der Situation für andere Arten der Mobilität fehlen.
Im Bereich des Fahrradverkehrs sind immerhin fast 1,7 Millionen Euro für dringend benötigte Lückenschlüsse im Radverkehrsnetz wie die Wollstraße, die Industriestraße und die Verbindung Oggersheim-Maudach eingeplant. Hier geht der Weg in die richtige Richtung, aus Geld- und Personalmangel allerdings viel zu zögerlich. Wollen wir hoffen, dass es dem neuen Baudezernenten gelingt, das Kapitel Posttunnel abzuschließen, mit dem wir uns jahrelang unnötig aufgehalten haben, und es durch eine Brückenplanung zu ersetzen, die hoffentlich schnell die nötige Radverbindung zwischen der Innenstadt und dem Hochschulcampus schaffen wird.
Der öffentliche Nahverkehr ist durch die Coronapandemie in eine Krise geraten, auch weil zuverlässige Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus im ÖPNV bis dato fehlen. Dennoch müssen wir den Ausbau des ÖPNV mit neuen Linien und die Taktverdichtung auf den bestehenden weiter vorantreiben, um eine Klimakrise zu verhindern. Mittelfristig wird dafür auch eine Ertüchtigung des Berliner Platzes nötig sein. Die Verbindung der Bleichstraße mit der Konrad-Adenauer-Brücke ist jetzt ein erster Schritt dazu.
Besonders enttäuschend an diesem Haushalt ist, dass er keinerlei Investitionen beinhaltet, die Ludwigshafen für Zu-Fuß-Gehende attraktiver macht. Diese Gruppe, zu der beinahe jede*r phasenweise gehört, muss in den Verkehrsplanungen dringend mitberücksichtigt werden.
In der mehrfachen Krise brauchen wir eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts in unserer Stadtgesellschaft. Es gibt in Ludwigshafen Menschen, die von der Coronapandemie wirtschaftlich nicht betroffen sind, aber es gibt eben auch viele, die wirtschaftlich leiden müssen, und einige, die die Pandemie existentiell gefährdet. Wir müssen die Aufgabe annehmen, bei der Bewältigung der Coronakrise in unserer Stadt Solidarität zu üben. Die „vulnerablen Gruppen“ in unserer Stadt werden auch durch den Betrieb des Ludwigshafener Impfzentrums nicht unmittelbar in ihr Leben „vor Corona“ zurückkehren.
Der demografische Wandel, die Migrationsbewegung und die angespannte wirtschaftliche Lage stellen die Kommune vor enorme Herausforderungen. Eine zukunftsorientierte Planung, die das friedliche Miteinander zum Ziel hat, muss die Stärkung der Kompetenzen der Zugewanderten und ihre aktive Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben kontinuierlich fördern. Auch dafür bedeutet Corona einen Rückschlag.
Integration vor Ort findet in den kommunalen aber auch in Einrichtungen der freien Träger statt. Die Stadt kann der kommunalen Integrationsarbeit neue Formen verleihen. Sie muss auch die Strukturen der Integrationsarbeit aus Bundes-, Landes und kommunalen Mitteln sichern und ausbauen. Wir unterstützen den Antrag des Beirats für Migration und Integration, in der Abteilung Integration eine zusätzliche Stelle mit dem Schwerpunkt Bildung zu schaffen. Wir wollen innovative Integrationsansätze unterstützen und sie kontinuierlich weiterentwickeln. Dies ist nur in Koordination der Kommune nach einem nachvollziehbaren Konzept und in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Kommune, der freien Träger und der Unterstützung der Ehrenamtlichen möglich.
Die Corona-Krise wird bewirken, dass mehr Menschen in Ludwigshafen in prekären Verhältnissen wohnen und in desolaten finanziellen Situationen leben müssen. Hier werden neue und verstärkte Aufwendungen auf Ludwigshafen zukommen. Was das angesichts leerer Kassen bedeutet, kann nicht in diesem Doppelhaushalt stehen, wird vielleicht in den angekündigten Corona-Nachträgen sichtbar. Mit dem 2020 beschlossenen Sozialkonzept und den geplanten baulichen Erneuerungen für die Einweisungsgebiete in der Nördlichen Innenstadt und in Mundenheim verbinden wir die starke Hoffnung, dass wir die Ghettoisierung von Armut aufbrechen können. Die Themen Arbeitslosigkeit, Wohnungsarmut, Kinderarmut, Bildungsarmut sind deshalb nicht weniger drängend und wir erwarten von der Verwaltung, dass sie, im Dialog mit den stadträtlichen Gremien, dazu weiter die Initiative ergreift.
Wir stimmen dem Entwurf des Doppelhaushalts 2021 / 2022 heute zu, weil wir, zusammen mit anderen Fraktionen im Rat, wesentliche Forderungen und Initiativen im Entwurf verankern konnten. Unsere Zustimmung zum Haushalt verstehen wir auch als Appell und als eindeutigen Auftrag an die Verwaltung, mit der ADD die Rahmenbedingungen neu zu verhandeln. Die Bürgerinnen und Bürger, alle Aktiven in unserer Stadt brauchen eine Perspektive, die uns über Corona hinaus auch weiterhin gerne und gut in Ludwigshafen leben lässt.
Monika Kleinschnitger, Hans-Uwe Daumann, Heike Hess, Ibrahim Yetkin, Gisela Witt
Die Grünen im Rat